Sozialismus und Kommunismus

Gerade in der politischen Debatte werfen viele mit Begrifflichkeiten nahezu inflationär um sich, meistens ohne die genaueren Hintergründe und Bedeutungen zu kennen. Über die Konzeptionen von Sozialismus und Kommunismus allein kann man bereits ganze Bücherbände füllen, doch soll der Einblick hier auf einige Grund- und Wesenszüge heruntergebrochen werden. Dabei greife ich zentrale und fundamentale Unterschiede auf und möchte auch über gängige Vorurteile zu beiden Konzeptionen aufklären.

Zum Sozialismus: ein unscharfes Konzept

Historischer Einblick

Seine erste Anwendung erfährt der Begriff des Sozialismus bereits im frühen 19. Jahrhundert. Grundlegende Gedanken dieser alternativen und sozial geprägten Gesellschaftsform lassen sich aber bis in die Antike zurückverfolgen und finden sich unter anderem auch beim Urchristentum. [1] Der eigentliche Durchbruch erfolgt in der Zeit der Industrialisierung, als ein rapider Demographiewechsel seinen Lauf nimmt. Immer größere Teile der Bevölkerung gehören zur Arbeiterschicht und leben in teils elendigen Zuständen. Der Druck auf das kapitalistische System wächst und der Ruf nach Veränderung wird lauter. Vom Sozialismus erhofft man sich eine Beendigung der Ausbeutung und die Chance auf ein besseres Leben. [2]

In Europa findet der Sozialismus relativ schnell unterschiedlich ausgeprägte politische Vertretungen: in Deutschland ist dies die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und in Großbritannien beispielsweise die Labour Party sowie viele gewerkschaftliche Verbände. Nur in den USA kann die sozialistische Bewegung kaum Fuß fassen, was wahrscheinlich mit der hohen räumlichen und sozialen Mobilität zusammenhängt. Auch regelmäßige Einwanderungsschübe schaffen dort immer wieder Umschwung. [2]

SPD
Wahlplakate der SPD: 1928.
Eiserne Front
1930, Eiserne Front.
Sozialismus und Kommunismus
1946, Wiederaufbau im Nachkriegsdeutschland.

Anzumerken bleibt ebenfalls, dass die häufig von Konservativen zum Ausdruck gebrachte Phrase „Der reale Sozialismus ist gescheitert.“ mit Verweis auf DDR, UdSSR und andere Staaten eine theoretische Schwachstelle aufweist. Wir müssen in den jeweiligen Staaten vor allem von einer Selbstbezeichnung als „sozialistisch“, konkreter häufig auch marxistisch oder leninistisch sprechen, die dazu diente, die eigene Herrschaft zu legitimieren. Diesen betonten Systemunterschied griff im kalten Krieg der Westen dankbar auf, um ein einheitliches Feindbild zu erzeugen. Warum das wichtig ist, wird sich später noch zeigen.

Grundgedanken und fehlende Absolutheit

Eines der größten Probleme bei der Debatte rund um Sozialismus ist die undifferenzierte Sicht auf diese Gesellschaftsordnung. Häufig spricht man von „dem Sozialismus“, den es aber einheitlich und real gar nicht gibt. Es verhält sich ebenso, als wenn man von „der Kirche“ sprechen würde: dabei wissen wir, dass es viele verschiedene Strömungen innerhalb des Christentums gibt, die sich in ihrer jeweiligen Ausprägung und ihrem Glauben sowie dessen Ausübung deutlich unterscheiden. Solche Ausprägungen und Konzeptionsunterschiede lassen sich ebenso beim Sozialismus und dessen politischen Anhänger:innen feststellen. Gerade in der Moderne wäre es weit verfehlt, auf die theoretischen Konzeptionen von Marx und Engels zu verweisen.

Dennoch finden sich in den meisten Vorstellungen von Sozialismus einige Grundgedanken und Ideale, die miteinander geteilt werden. So strebt man allgemein hin zu einer von Solidarität geprägten Gesellschaft, die sich an den Idealen von Freiheit und Gleichheit orientiert. Die Verwirklichung dieser Ideale versucht man durch die Abschaffung der privatkapitalistischen Wirtschaftsordnung zu erreichen. Diese ist nach sozialistischem Verständnis für eine ökonomische Abhängigkeit der Menschen im Arbeitsverhältnis zugunsten einer kleinen Elite verantwortlich. Aus diesem Gegensatz resultieren gesellschaftliche Missstände wie Armut, mangelnde Emanzipationsfähigkeit und Einschränkung der persönlichen Entfaltung. [2]

Auch wenn das Ideal der Freiheit verfolgt wird, steht die individuelle Freiheit, im Gegensatz zur Strömung des Liberalismus, nicht über allem. Spätestens bei Missbrauch von Macht, egal ob politisch oder ökonomisch bedingt, endet die Toleranz von Sozialisten beim freiheitlichen Handeln des Einzelnen. Was sich zunächst wie ein Widerspruch anhört, ergibt bei genauerer Betrachtung Sinn: Durch eben diesen Missbrauch schränkt sich die Freiheit der breiten Bevölkerung ein, die in Folge dessen nämlich in die bereits zuvor bekundete Abhängigkeit fällt. Es liegt dementsprechend ein großer Fokus auf gleiche Freiheiten für alle, im weiteren Sinne egalitäre Bedingungen in allen Bereichen der Gesellschaft. [2]

Kommunismus als gesellschaftliche Utopie

Die Grundgedanken

Fundamental ist im Kommunismus die absolute Abschaffung des privaten Eigentums. Letztlich soll nur noch Gemeinschaftseigentum bestehen, das für alle zugänglich ist. Leitgedanke ist dabei eine egalitäre Gerechtigkeitsidee, wie sie bereits in der Antike Anklang findet: Die Gemeinschaft besitzt alle notwendigen Produktionsmittel, stellt Güter selbst her und verteilt sie untereinander. [3]

Gleichermaßen versteht sich der Kommunismus als Gegenkonzeption zum Kapitalismus als eine Gesellschaftsform, in der die Menschen durch eine kleine Gruppe von Kapitalisten ausgebeutet werden. Eine solche Ordnung ist nach Lehrmeinung des Kommunismus allein durch die staatlich geregelten Privateigentumsverhältnisse möglich, weswegen eben diese abgeschafft werden sollen. Technischer Fortschritt und Wohlstand soll in Folge einer Revolution des Proletariats allen zugutekommen. [3]

Historisches und gegenwärtiges Scheitern?

Im Laufe der Geschichte haben sich viele Staaten als kommunistisch/sozialistisch bezeichnet und tun dies auch noch heute. Prominentestes Beispiel ist die Sowjetunion, die in Folge der Novemberrevolution 1917 in Russland im Dezember 1922 durch einen Unionsvertrag gegründet wurde. Die sozialistische Revolution entwickelte sich spätestens mit dem Stalinismus zu einer repressiven Diktatur, die weit entfernt von den Prinzipien der Solidarität, Freiheit und Gleichheit stand. Unter dem Deckmantel des Kommunismus wurde schlichtweg erneut eine angeblich durch das Proletariat legitimierte Diktatur geschaffen. Eine Abkehr von Eliten und gesellschaftlichen Differenzen gab es nicht, sie haben lediglich gewechselt.

Ein modernes Beispiel ist die Volksrepublik China mit ihrer „Kommunistischen Partei“. Als Staatspartei kann sie von keinen anderen Parteien abgelöst werden und stellt fast ausnahmslos die gesamte Regierung. Auch von China wissen wir, dass Privateigentum nicht abgeschafft ist und teils sogar einer marktorientierten Wirtschaft gefolgt wird. Diese wird zwar vom Staat gelenkt, ist aber dennoch konkurrenzorientiert und privatisiert aufgebaut. Somit erfüllt sie fundamentale Prinzipien des Kommunismus nicht, kann dafür aber im Weltmarkt auf beeindruckende Art und Weise trotz – möglicherweise gerade wegen – der staatlichen Lenkung, mithalten.

Kommunismus China
In der Volksrepublik China regiert derzeit die Kommunistische Partei.

Die komplette Abschaffung von Privateigentum wird allein aufgrund psychologischer Bedingungen niemals möglich sein. Menschen brauchen ein klare Bezugspunkte und Rückzugsräume, die nicht von anderen genommen werden können. Dazu gehört auch die Ordnung von Privateigentum. Man stelle sich vor, jeder könne auf das eigene Handy zugreifen oder die eigene Lieblingskleidung anziehen – es wäre undenkbar.

Sozialismus und Kommunismus: die Unterschiede

Während Sozialismus und Kommunismus in der Entstehungszeit noch beinahe als Synonyme verwendet wurden, ist ein derartiges bedenkenloses Austauschen der Begrifflichkeiten in der modernen Politlandschaft nicht ohne weiteres möglich. Es haben sich Strömungen entwickelt, die in einer Reformierung beider Begriffe eine verhältnismäßig klare Abgrenzung ermöglichen.

Einer der wichtigsten Unterschiede findet sich in der Betrachtung von Eigentum. Während im Kommunismus der Rechtsanspruch auf Eigentum praktisch nicht mehr existent wäre, gibt es diesen durchaus noch im Sozialismus. Hier soll vor allem Produktionseigentum als Gemeinschaftsgut angesehen werden, in der modernen Sozialdemokratie im Sinne eines demokratischen Sozialismus nennt man häufig vor allem Bereiche der Infrastruktur wie Wasser, Strom, Gas, ÖPNV, Telekommunikation usw., die in staatlicher Hand liegen sollen.

Weiterhin ist eine offensichtliche, bereits erwähnte Komponente klar zu unterscheiden: der Kommunismus ist konzipiert als Gesellschaftsutopie. Der Sozialismus hingegen kann real existieren, je nachdem welche Fassung von einer entsprechenden politischen Kraft vertreten wird. Das macht sich auch in der Zielsetzung bemerkbar. Im Kommunismus wird eine klassenlose Gesellschaft angestrebt, in welcher jeder Mensch egalitär gleich ist. Im Sozialismus hingegen ist die Frage nach gerechter und angemessener Verteilung vordergründig, bei der auch eine gewisse Solidarität gegenüber weniger Leistungsfähigen berücksichtigt werden soll. Anstrengung und Innovation wird im Sozialismus daher trotzdem belohnt.

Schlussworte und Anmerkungen

Zur genaueren Einordnung sei natürlich gesagt, dass dies hier keineswegs eine vollständige Analyse mit Anspruch auf Absolutheit ist. Auch bei meiner Zusammenfassung muss berücksichtigt werden, dass ich ganz spezifisch ausgewählte Inhalte präsentiere – vornehmlich um falsche und vorurteilsbehaftete Vorstellungen von Sozialismus und Kommunismus in der Moderne zu entkräften. Dass die ursprünglichen Konzeptionen von Marx und Engels natürlich noch ganz andere Gedanken bergen, will ich an dieser Stelle überhaupt nicht absprechen.

Entstanden ist dieser Artikel vor allem vor dem Hintergrund der nahezu schreckhaften Reaktion von Medien und Politlandschaft, sobald jemand das Wort Sozialismus ins Spiel bringt. Mit absolut unpassenden Verweisen auf die UdSSR und DDR wird daraufhin ein meist schmutziger Lagerkampf geführt, ohne überhaupt von grundlegenden und modernen Prinzipien von Sozialismus auszugehen. Die sich selbst als sozialistisch oder kommunistisch bezeichnenden Diktaturen aus Vergangenheit und Gegenwart können jedenfalls keineswegs mit den Vorstellungen eines demokratischen Sozialismus gleichgesetzt werden.

Quellenverzeichnis

[1] Apg 2, 42-46 und Apg 4, 32-37

[2] https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/18235/sozialismus

[3] https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17727/kommunismus

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