Die Diskussion rund um ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen klingt nicht ab. Kaum ein Thema spaltet die Deutschen so sehr. [1] Immer wieder führen Kampagnen rund um Klimaschutz und mehr Sicherheit im Straßenverkehr die Forderung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung an. Die Gegenseite verteidigt währenddessen vehement mit den Argumenten, dass der Nutzen für den Klimaschutz ohnehin marginal sei und auch die Sicherheit nicht wesentlich gestärkt wird. Manche sehen es auch als Beschneidung der individuellen Freiheit beim Fahren. Sie haben Angst, dass längere Strecken durch ein Tempolimit viel mehr Zeit in Anspruch nehmen. Es stellt sich die Frage: wie sinnvoll ist so ein Tempolimit eigentlich? Wäre es wirklich nur eine Beschneidung unserer Freiheit?
Tempolimit und der Klimaschutz
Die absolute CO2-Ersparnis
Bei der Frage nach dem Klimaschutz interessieren natürlich vor allem möglicherweise einzusparende CO2-Emissionen. Vorweg kann man anmerken, dass rund 83% der Energie im Verkehr auf der Straße verbraucht wird. [2] Erhöhte Geschwindigkeiten führen generell zu einem höheren Spritverbrauch. Hieraus ist es logisch ableitbar, dass es bei einer Begrenzung des Tempos zu Ersparnis kommt. Die Frage ist nun natürlich: wie hoch ist die Ersparnis konkret? Das Umweltbundesamt gibt in einer aktuellen Studie die Ersparnis für denkbare Geschwindigkeiten von 100, 120 und 130 km/h an. [3]
- Für Tempo 100 km/h ergibt sich eine Ersparnis von rund 6,2 Mio. t CO2.
- Für Tempo 120 km/h ergibt sich eine Ersparnis von rund 2,9 Mio. t. CO2.
- Für Tempo 130 km/h ergibt sich eine Ersparnis von rund 2,2 Mio. t. CO2.
Anhand dieser Zahlen wird nochmals der exponentiell steigende Verbrauch deutlich. Allein der Verzicht von 30 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit bewirkt einen Zuwachs der CO2-Ersparnis um rund 280%. Die Ersparnis hängt einerseits mit dem geringeren Spritverbrauch zusammen, andererseits spielen aber auch längere Standzeiten im Zuge von Staus und Unfällen eine Rolle, die häufiger bei höheren Geschwindigkeiten zustande kommen. Ein optimaler Verkehrsfluss entsteht nämlich eher bei geringeren Geschwindigkeiten. Hinzu kommen natürlich noch optionale Einsparungen bei einem Wandel des Baus von Fahrzeugen. Man könnte weniger leistungsintensive Pkw bauen, die nicht nur durch ihr geringeres Gewicht CO2 einsparen, sondern bereits in der Herstellung.
Zur Dimension der Ersparnis
Mit den hier gegebenen Zahlen der Einsparung kann man als Laie natürlich nur wenig anfangen. Um dies etwas zu veranschaulichen, gibt es hier einige Beispiele des UBA, was für eine Ersparnis von 1 Mio. t CO2 im Jahr 2030 nötig wäre:
- 500.000 Elektro-Pkw zusätzlich auf die Straße bringen,
- die Energiekraftsteuer für Dieselkraftstoff um 5 Cent pro Liter erhöhen,
- den Pkw-Verkehr in Städten um 6% reduzieren oder
- 17% mehr Rad- und Fußverkehr erreichen.
In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass durch die Umsetzung eines Tempolimits von 130, 120 oder 100 km/h bereits große Mengen an Treibhausgasen eingespart werden könnten. Hinzu kommt, dass es sich um eine äußerst kostengünstige Maßnahme handelt, die bereits im nächsten Jahr greifen könnte. Die Studie des UBA rät dazu an, auf diesen Beitrag zum Klimaschutz keinesfalls zu verzichten. [3] Gegner des Tempolimits rechnen den Betrag der CO2-Ersparnis auf die Gesamtemissionen Deutschlands hoch und betonen dabei, dass bei Tempo 120 km/h nur eine Senkung von 0,27% wirksam wird. [4] Gerade in Bezug auf die vorher angebrachten Beispiele zeigt sich aber, dass dieser Beitrag nicht so marginal ist, wie er sich anhört.
Effekt auf die Sicherheit im Straßenverkehr
Statistisch lässt sich sagen, dass Autobahnen die sichersten Straßen Deutschlands sind. Vergleichsweise sterben dort relativ wenig Menschen, während ein Großteil der Opfer tödlicher Verkehrsunfälle auf den Landstraßen zu finden sind. Darüber hinaus sind die Opferzahlen in Staaten mit Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen nicht wesentlich geringer. Auch ein Vergleich der Streckenabschnitte mit Limitierung mit denen ohne Limit birgt keine Auffälligkeiten in Bezug auf die Unfälle. In Bezug auf die Sicherheit wird somit eher ein flexibles Tempolimit vorgeschlagen, dass entsprechend der Verkehrssituation intelligent angepasst wird. [4]
Gänzlich entgegen dieser Behauptungen stellt sich die Deutsche Umwelthilfe. Jährlich gibt es drei Verkehrstote pro 100km Autobahn. Damit liegen wir über den Schnitt unserer Nachbarländer. Für die Wirksamkeit einer Geschwindigkeitsbegrenzung in Sachen Sicherheit werden mehrere Beispiele eingeführt, bei denen sich die Unfälle nach der Einführung deutlich reduziert haben. So gab es seit dem Tempolimit auf der A4 zwischen Köln und Aachen keinen Unfall mit Todesfolge mehr. Auf einer anderen Teilstrecke, die seit der Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung wissenschaftlich begleitet wurde, halbierte sich die Unfallzahl über einen Dreijahreszeitraum. [5]
Generell gelten in Bezug auf Sicherheit ohnehin physikalische Grundsätze. Je höher die Geschwindigkeit, desto höher sind auch Reaktions- und Bremsweg. Damit steigt auch die Wucht des Aufschlags bei einem möglichen Unfall und damit auch die Wahrscheinlichkeit für tödliche Ausgänge. Inwiefern ein generelles Tempolimit die Sicherheit auf deutschen Autobahnen stärkt, bleibt angesichts der diversen Zahlen und Statistiken fraglich. Rein physikalisch und logisch betrachtet müsste es allerdings einen positiven Effekt geben.
Zeitersparnis beim Fahren ohne Tempolimit
Pauschal gerechnet trifft es natürlich zu, dass man eine Strecke mit höherer Geschwindigkeit schneller hinter sich bringen kann. Fährt man mit 130 km/h eine Strecke von 100 Kilometern brauch man 46 Minuten. Fährt man im Schnitt mit 160 km/h bräuchte man nur 37,5 Minuten. Es ergibt sich also eine Zeitersparnis von 8,5 Minuten. Real treffen diese Bedingungen aber fast nie zu. Einerseits ist muss man die eigene Fahrweise stets am Verkehrsfluss orientieren. Je schneller man unterwegs ist, desto schneller wird man auch mal von anderen ausgebremst. Hinzu kommen diverse Baustellen und Staus, die uns ohnehin in der Geschwindigkeit limitieren. Das macht eine reale Zeitersparnis im Berufsverkehr, in welchem natürlich auch die meisten der Betroffenen unterwegs sind, recht marginal.
Gerade bei der Zeitersparnis wird gern die Freiheit des Autofahrers ins Feld geführt. Dieses Argument ist allerdings durch und durch absurd. Gerade der Verkehrsbereich ist einer der geregeltsten Bereiche unseres Lebens überhaupt. Es gibt Vorschriften für das Einparken, für den Verkehr in innerhalb und außerhalb der Stadt sowie den Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmern und so weiter. Wahrscheinlich klammern sich viele Menschen gerade deswegen verzweifelt an dieses letzte Stück „Freiheit“. Realisiert wird dabei allerdings nicht, dass auch auf der Autobahn streckenweise bereits verschiedene Begrenzungen gelten – ebenso bei Baustellen. Darüber hinaus kann man diese Freiheit auch nur umsetzen, sofern andere Verkehrsteilnehmer nicht im Weg stehen. Insofern ist sie real überhaupt nicht existent.
Fazit
Letztlich bleibt es beim Tempolimit eine Frage der Abwägung, was einem das kleine Stückchen Freiheit auf der Autobahn tatsächlich wert ist. Schadet es denn wirklich so viel, sich ein paar wenige Minuten mehr zu nehmen und dafür entspannter, sicherer und auch umweltschonender zu fahren? Ich persönlich denke, dass dies nicht so schwer sein sollte. Auch bisher fahre ich auf der Autobahn fast nie schneller als 130 km/h, aber auch ein Tempolimit von 100 km/h könnte ich mir gut vorstellen. Allerdings wäre dies natürlich schon ein starker Schritt, den man uns bei den Niederländern bereits voraus ist.
Natürlich stimmt es, dass der Effekt auf den Klimaschutz prozentual gesehen sehr niedrig ist. Doch gerade hier sollte man im Blick behalten, was man sonst alles tun müsste, um eine vergleichbare Ersparnis zu erreichen. Das Tempolimit bietet hier eine sehr einfache und kostengünstige Möglichkeit. Gleiches gilt für die Sicherheit: auch hier herrscht keine eindeutige Antwort. Aus rein logischen Aspekten heraus können wir aber davon ausgehen, dass weniger Unfälle mit Tempolimit passieren werden. Das bestätigen auch einige Untersuchungen. Wer trotz Geschwindigkeitsbegrenzung mal an sein Limit gehen will, kann dies natürlich auch auf diversen Rennstrecken in Deutschland tun.
Quellenverzeichnis
[2] Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland
[3] Umweltbundesamt
[4] Verband der Automobilindustrie