Das Interpretieren von Sachquellen ist wahrscheinlich die seltenste Methode im Geschichtsunterricht. Trotzdem ist die Beschäftigung mit Gegenständen unvermeidlich, wenn man historisch forscht. Sachquellen helfen vor allem dort weiter, wo es an schriftlichen oder bildlichen Quellen mangelt. Dies ist häufiger bei antiker Geschichte der Fall, kommt aber ebenso bei allen späteren Epochen vor. Im Folgenden findest du eine simple Methode für die Arbeit mit Sachquellen.
Was sind Sachquellen?
Es handelt sich dabei um allerhand Gegenstände, die im Laufe der Zeit erhalten geblieben sind. Es gibt drei Bedingungen, damit ein Gegenstand als Sachquelle gilt. Der Gegenstand muss:
- aus menschlicher Hand stammen (Natursteine sind also keine Sachquellen, es sei denn, sie wurden durch Menschen bearbeitet),
- aus der zu untersuchenden historischen Zeit stammen (eine im Mittelalter gefertigte Plastik von Aristoteles kann nicht als Sachquelle für die Antike gelten) und
- in der Gegenwart vorliegen.
Bei der Interpretation von Sachquellen ist es hilfreich, die Gegenstände in Kategorien zu unterteilen. So kann man beispielsweise Aussagen darüber treffen, ob es sich um Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs handelt (Werkzeuge, Waffen, etc.) oder religiöse Dinge sowie Objekte der Erinnerung handelt.
Merkmale beim Interpretieren von Sachquellen
Bei Gegenständen werden hauptsächlich drei zentrale Merkmale untersucht. Diese wären Haptik, Ästhetik und Authentizität. Es handelt sich um dreidimensionale Quellen – im Gegensatz zu schriftlichen oder bildlichen.
Die Haptik kann hierbei mit Hilfe des Tastsinns erkundet werden. So kann man Näherungen für Gewicht, Größe, Umriss und Oberfläche gewinnen. Natürlich ist dies nur bei Objekten möglich, deren Berührung erlaubt ist. In Museen muss darauf häufig verzichtet werden.
Bei der Ästhetik hingegen reicht die Beobachtung und Vermessung des Gegenstands. Somit können Formen, Maße, verwendete Materialien und insbesondere Farben erfasst werden.
Die Betrachtung der Authentizität beschäftigt sich mit der Unterscheidung in Originale, Replikaten und Modelle. Originale sind Gegenstände, die als Überrest der vergangenen Lebenswelt überdauert haben. In der Regel können nur Spezialisten herausfinden, ob es sich bei den Gegenständen um Fälschungen handelt, weswegen man dies im schulischen Kontext vernachlässigt. Replikate hingegen sind Kopien von Originalen, die legal angefertigt werden. Als Modelle gelten Gegenstände, die nach der Beschreibung von Quellen gefertigt werden, da uns der Gegenstand entweder gar nicht oder nur noch teilweise vorliegt.
Methodik beim Interpretieren von Sachquellen
1. Einordnung mit Beschreibung
In diesem ersten Schritt sollst du die Sachquelle in ihren Wesenszügen erfassen. Dafür sind die folgenden Informationen festzustellen, soweit möglich:
- übliche Bezeichnung für den Gegenstand (Speerspitze, Münze, Gasmaske…)
- Verwendungszweck (Alltag, Militär, Handwerk, Landwirtschaft…)
- geschätzter Zeitraum der Benutzung
- Nutzer des Gegenstands (Personengruppen, soziale Schichten, bestimmte Persönlichkeiten…)
- Situation der Verwendung (Speerspitze – zur Jagd oder in Kampfhandlungen?, Münze – Sammelobjekt oder Zahlungsverkehr?…)
2. Dokumentation und Recherche
Nun musst du etwas ins Detail gehen. Dafür lohnt sich oft eine kleine Recherche. Dokumentiere die folgenden Dinge, wenn sie herausgefunden werden können:
- Fundsituation (Museen können hierzu häufig Auskunft geben)
- Materialien des Gegenstands und ab wann diese verfügbar waren
- Rückschlüsse auf Hersteller und Benutzer durch Markenschilder, Materialien und Konstruktionselemente
- vorausgesetzte Kenntnisse bei Herstellung (für Münzprägung bspw. Metallurgie)
- Quellenkritik: Widersprüche zu Informationen aus anderen Quellen?
- Recherche: Einsichten durch weitere Nachforschungen in Quellen, Darstellungen etc. überprüfen und vertiefen
Nicht bei jedem Gegenstand kann man alle Hintergründe herausfinden. Der Fundort bzw. die Fundsituation ist z.B. nur schwer herauszufinden, wenn der Gegenstand nicht akkurat in einem Museum erfasst wurde. Mach dir die Recherche einfacher, indem du beispielsweise die Google-Bildersuche nutzt oder dich für Hilfe zu bestimmten Punkten bei deiner Lehrkraft erkundigst.
3. Historischen Kontext formulieren
Nachdem du die wichtigsten Informationen zusammengetragen hast, musst du den historischen Kontext betrachten. Hier stellen sich Fragen nach den Ursachen der Produktion des Gegenstands und seinen Wirkungsweisen bzw. Folgen.
Dabei kannst du politische, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte einbeziehen. Den ursprünglichen Verwendungszweck kannst du mit modernen Äquivalenten vergleichen (z.B. Armbrust – Gewehr). Folgende Aspekte sind gute Ansätze:
- Stand der Technologie, Schritte zur Herstellung
- Zeitraum von Modernität und Veraltung des Gegenstands
- Bedeutung für epochalen Umschwung? (z.B. Dampfmaschine für industrielle Revolution)
- Zugänglichkeit für unterschiedliche soziale Schichten
Kurz gesagt: Hier geht es darum, aus den Informationen über den Gegenstand und dem Wissen über die Zeit schlau zu werden.
4. Überlieferungsgeschichte
Mit Hilfe der bisherigen Schritte lassen sich Rückschlüsse auf die Identität ehemaliger Besitzer schließen. Dabei kann der Wert des Gegenstands Auskunft über die soziale Schicht und Verwendungsweisen Aufschluss über Berufsgruppen geben.
Die meisten Gegenstände durchlaufen einen Wandel der Wahrnehmungsweisen. Dieser sollte – soweit möglich – ebenfalls dargestellt werden (z.B. Bögen von Waffe für Krieg und Jagd zu modernem Sportgerät).
Zuletzt wirf ein Blick auf die Geschichte der Überlieferung. Gerade in aktuellen Debatten über Raubkunst im Zuge der Kolonialzeit sollte man vormalige Eigentümer ausmachen. Damit verbunden bleibt die Frage, ob Gegenstände rechtmäßig in Museen vor Ort aufbewahrt werden oder eine Rückgabe angemessen wäre.
Literaturverzeichnis
Huneke, Friedrich: Sachquellen. Gegenstände aus vergangener Zeit „begreifen“, in: Methodentraining für den Geschichtsunterricht, hrsg. von Hans-Jürgen Pandel, Renate Teepe, Friedrich Huneke, Frankfurt am Main 2021.
Von Reeken, Dietmar: Gegenständliche Quellen und museale Darstellungen (Neubearbeitung), in: Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II., hrsg. von Hilke Günther-Arndt und Meik Zülsdorf-Kersting, Berlin 2014, S. 144-157