Der Utilitarismus nach John Stuart Mill

John Stuart Mill entwickelt in seiner Schrift „Der Utilitarismus“ (von lat. utilitas = nützlich) die moralphilosophischen Ideen des Begründers der Theorie, Jeremy Bentham, weiter und untermauert sie mit dem Versuch eines Beweises. Mills Ethik basiert dabei vor allem auf Erfahrungswerten. Der folgende Beitrag geht auf seine Grundsätze, die dazugehörigen Argumente als auch einen möglichen Beweis des Nützlichkeitsprinzips ein.

Utilitarismus Mill

Die Grundprinzipien des Utilitarismus nach Mill

Mill übernimmt wesentliche Grundprinzipien des Utilitarismus von seinem Vorgänger Bentham. Dazu gehört, kurz gesagt, dass:

  1. die Richtigkeit einer Handlung von ihren Folgen bestimmt wird (Konsequenzprinzip)
  2. die Folgen an ihrem Nutzen gemessen werden (Nutzenprinzip)
  3. als nützlich angesehen wird, was in sich gut ist, also einen Lustgewinn bringt (hedonistisches Prinzip)
  4. das Ziel das Wohlergehen aller Betroffenen ist (universalistisches Prinzip)

Zum vierten Grundsatz bleibt zu sagen, dass hier auch indirekt Betroffene gemeint sein können. Beispielsweise können von einer Haftstrafe nicht nur der Verurteilte, sondern auch dessen Familie, Freunde und Bekannte betroffen sein.

Mill nimmt nun einige Abweichungen zu Bentham vor: Er führt statt einem ungemilderten einen qualitativen Hedonismus ein, unterscheidet also zwischen höherer und niedrigerer Lust. Er versucht zudem einen Beweis für das Prinzip der Nützlichkeit zu führen, auf welchen wir noch zu sprechen kommen.

Zum Begriff des Utilitarismus nach Mill

Unter Utilitarismus versteht Mill die Nützlichkeit oder das Prinzip des größten Glücks als Grundlage der Moral. Handlungen gelten dann als moralisch gut, wenn sie das Glück steigern und/oder Unglück vermindern. Sie gelten dann als verwerflich, wenn sie das Gegenteil verursachen.

Unter Glück versteht er hier die Lust bzw. das Freisein von Unlust. Unglück hingegen bedeutet die Unlust bzw. das Freisein von Lust. Lust muss hier allerdings nicht – wie häufig angenommen – sinnlicher Natur sein. Mill berücksichtigt hier vor allem geistige Erfüllung und damit Glück. Dazu gehören Freuden des Verstandes, der Empfindung, Vorstellungskraft und sittliches Gefühl. Diese gelten auch als moralisch wertvoller im Vergleich zu sinnlichen Freuden, da sie die höheren Fertigkeiten der Menschen ansprechen. Sie sind außerdem dauerhafter und sicherer.

Bei der Beurteilung einer Handlung muss also bei den Folgen nicht nur die reine Menge an Glück und Unglück abgewogen werden, sondern auch dessen Qualität! Geistige Erfüllung wiegt schwerer als reine Triebbefriedigung.

Ein Beweis

Mill selbst gibt zu, dass sein Utilitarismus nicht im herkömmlichen Sinne absolut bewiesen werden kann. Er entwickelt jedoch eine rationale Argumentation, die als Beweis dienen soll. Dazu geht er im wesentlichen zwei Schritte:

Schritt 1: Psychologischer Hedonismus. Glück ist wünschenswert, weil es de facto, also tatsächlich, von Menschen gewünscht wird. Wer würde verneinen, dass wir nach einem glücklichen Leben streben?

Schritt 2: Ethischer Hedonismus. Wenn jedes Individuum Glück wünscht, ist auch das Glück aller Menschen wünschenswert. Das allgemeine Glück aller erhält somit den Anspruch als Endzweck allen Handelns und somit als Kriterium der Moral.

Schenken wir dieser Argumentation Glauben, hat der Utilitarismus, dessen Ziel ja das Glück aller ist, einen Beweis. Daran gibt es auch Kritik: Die Tatsache, dass alle Menschen nach ihrem eigenen Glück streben, reicht nicht, um von jedem zu verlangen, das Glück aller anderen bei ihren Handlungen zu berücksichtigen.

Mill würde diese Kritik zurückweisen, da die Tugend an der Spitze der Dinge steht, die das Glück aller befördern. Das Ausklammern des Strebens nach Tugend würde laut Mill ein verarmtes Bewusstsein hinterlassen, welches das allgemeine Glück nicht fördert. Die Tugend gilt somit als Bestandteil des Glücks. Sie ist uneigennützig, soll um ihrer selbst willen erstrebt werden, denn ihr Besitz verursacht „happiness“.

Gerechtigkeit und Utilitarismus bei Mill

Es gibt ein einfaches Gedankenexperiment, der das Gerechtigkeitsproblem des Utilitarismus verdeutlicht: Stellen wir uns vor, zehn Personen warten auf eine Organspende. Eine gesunde Person könnte alle Personen mit ihren Organen retten, müsste hierfür aber selbst geopfert werden. Wie lautet die Entscheidung, die wir gemessen an den Grundprinzipien treffen müssten? Gemessen am universalistischen Prinzip muss bedacht werden, dass zehn Personen sterben, wenn sich die eine nicht opfert. Die Entscheidung scheint also klar. Doch es widerspricht unserem Gerechtigkeitsempfinden, Menschen für andere zu opfern, auch wenn hierdurch mehr gerettet werden. Sollte man wirklich Mitmenschen zur Organspende zwingen?

Es gibt also offenbar Probleme, das Prinzip von Nützlichkeit und Gerechtigkeit im Utilitarismus miteinander zu verbinden. Mill argumentiert, dass im Utilitarismus die Gerechtigkeit keine Ausnahme vom Prinzip der Nützlichkeit bildet und ebenfalls durch dieses gerechtfertigt wird. Nützlichkeit bildet hierbei den Maßstab für Recht und Unrecht.

Gerechtigkeit versteht er hierbei als eine Reihe moralischer Regeln, die für gute Leben miteinander bestimmend sind. Sie sind daher unbedingt verpflichtend, unparteiisch und bewähren sich in der Praxis. Das Gerechtigkeitsgefühl beschreibt Mill als besonderen Instinkt, der durch die höhere Vernunft beherrscht wird. Es ist somit ein intellektueller Instinkt. Forderungen der Gerechtigkeit fallen daher mit einem Teil der allgemeinen Nützlichkeit zusammen, wobei die Gerechtigkeit Vorrang besitzt. Dieser Vorrang ist jedoch kein Beweis, dass Gerechtigkeit nicht ein Zweig der allgemeinen Nützlichkeit sein kann. Eben dies versucht Mill zu zeigen.

Da Gerechtigkeit den Schutz der Rechte des Einzelnen garantiert (z.B. in unserem Gedankenexperiment nicht für andere Menschen geopfert zu werden), stellt sie einen Nutzen für die Gesellschaft als Ganzes dar, denn jeder profitiert von diesem Schutz. Gerechtigkeit kann laut Mill also zur allgemeinen Nützlichkeit hinzugerechnet werden, sie hat dabei einen Vorrang durch ihren normativen Charakter.

Literaturverzeichnis

Mill, John Stuart: Utilitarismus, Ditzingen 2006.

Clikates, Robin und Gosepath, Stefan: Philosophie der Moral: Texte von der Antike bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 2009.

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