Kolonie – eine besondere Form der Expansion

In der Geschichte hat es viele Prozesse der Landnahme gegeben, doch nicht in jedem Fall entsteht eine Kolonie. Dieser Beitrag soll den Begriff der Kolonie verständlich machen und zu anderen abgrenzen. Unterschiedliche Formen der Expansion sollen dabei Erwähnung finden. Darüber hinaus erkläre ich unterschiedliche Arten von Kolonien, die sich aus der Betrachtung verschiedenster historischer Kolonialsysteme kategorisieren lassen.

Icon Kolonie

Expansion von Gesellschaften

Durch alle Zeitalter hinweg dehnen sich Gesellschaften über ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet hinaus aus. Die Gründe und Formen dieser Expansion sind ebenso vielfältig wie ihre Ergebnisse:

  1. Totalmigration: Völkerwanderung, die ein ursprüngliches Siedlungsgebiet zurücklässt. Sie ist häufig mit der Verdrängung einheimischer Bevölkerung, teilweise auch kriegerischen Auseinandersetzungen verbunden. Die Gründe können sehr unterschiedlich sein: Überbevölkerung, ökologische Engpässe, Druck von Nachbarn, Verfolgung religiöser oder ethnischer Art… (keine Kolonie, da keine Muttergesellschaft)
  2. Massenhafte Individualmigration: Auswanderung von Individuen, Familien oder Gruppen, aber die Herkunftsgesellschaft bleibt intakt. Die Emigranten werden meist in bestehende Gesellschaften integriert und schaffen meist keine neuen Kolonien. Die Gründe sind vor allem wirtschaftlicher, aber auch religiöser Natur.
  3. Grenzkolonisation: Ausdehnung eines bestehenden Siedlungsraumes in (vermeintliche) „Wildnis“. Die Gründe liegen meist in der Erschließung von Agrarland oder Bodenschätzen, welche nutzbar gemacht werden sollen. Häufig liegt keine Kolonie vor, da die Ausdehnung keine neuen politischen Einheiten schafft.
  4. Überseeische Siedlungskolonisation: Sonderform einer Grenzkolonisation, die bereits im antiken Griechenland Anwendung fand. Über das Meer hinweg werden eigenständige Städte (Kolonien) angelegt. Sie versuchen wirtschaftlich möglichst eigenständig zu sein. Das Land wird meist als herrenlos betrachtet, große militärische Machtentfaltung ist nicht erforderlich.
  5. Reichsbildende Eroberungskriege: Herrschaft über andere Völker wird durch militärische Macht errichtet. Häufig besteht ein imperiales Zentrum, wie im Falle Roms. Zentralisierte Einheitsreiche verfallen jedoch auch, wie das mongolische Weltreich nach dem Tod von Dschingis Khan. Die Niederlassung von Siedlern war hier seltener, im Vordergrund stand die Ausbeutung eroberter Gesellschaften.
  6. Stützpunktvernetzung: Expansion über Meere durch die planmäßige Anlage von Handelsstützpunkten mit militärischem Schutz. Von diesen gehen meist keine weiteren Impulse zur Landnahme aus. Hintergrund ist die Absicherung einer Herrschaft durch Handel, häufig in Verbindung mit Flottenstützpunkten. Dadurch war ein erheblicher Einfluss auf die Weltpolitik möglich.

Kolonie: eine Definition

Wichtig zu differenzieren ist an dieser Stelle die Kolonisation vom Begriff der Kolonie. Nicht aus jeder Kolonisation entsteht tatsächlich eine Kolonie. Die folgende Definition ist daher recht eng gefasst und für die Neuzeit gültig. Sie klammert dabei sowohl zeitweise militärische Besatzungen als auch Angliederung von Grenzgebieten durch Nationalstaaten aus:

Eine Kolonie ist ein durch Invasion (militärische Eroberung und/oder Siedlungskolonisation) in Anknüpfung an vorkoloniale Zustände neu geschaffenes politisches Gebilde mit zumindest rudimentären Staats- und Verfassungsorganen. Seine Machthaber stehen in dauerhaften Abhängigkeitsbeziehungen zu einem räumlich entfernten „Mutterland“ oder imperialen Zentrum, das exklusive Besitzanspruche auf die Kolonie erhebt. Die Kolonisierten werden pauschal als Untertanen betrachtet und behandelt, deren Interessen in der Herrschaftsordnung unrepräsentiert bleiben.
Jürgen Osterhammel und Jan C. Jansen

Merkmale der Kolonie auf den Punkt gebracht

Die eben vorgebrachte Definition ist natürlich sehr lang und in ihrer Wörtlichkeit kaum geeignet, um langfristigen Eingang ins Gedächtnis zu finden. Daher hier nochmal alle zentralen Punkte. Eine Kolonie

  • entsteht durch Eroberung oder Siedlungskolonisation.
  • ist ein eigenes politisches Gebilde (z.B. als Staat, teilweise mit eigener Verfassung).
  • ist abhängig vom „Mutterland“ oder dem imperialen Zentrum.
  • betrachtet Kolonisierte (einheimische Bevölkerung) als Untertanen.

Arten der Kolonie

In der Neuzeit können verschiedene Arten von Kolonien kategorisiert werden, die sich jedoch nicht immer eindeutig bestimmten Kolonialmächten zuordnen lassen. Das Britische Weltreich besaß zum Beispiel Kolonien jeder Art.

Beherrschungskolonie

Alternativ kann diese als Herrschaftskolonie oder administrative Kolonie bezeichnet werden. Sie ist häufig das Resultat einer militärischen Eroberung. Ihr Zweck besteht vor allem in der wirtschaftlichen Ausbeutung der Kolonie. Beliebt ist hierbei der Einsatz von Handelsmonopolen sowie die Schöpfung von Bodenschätzen oder die Erhebung von Steuern. Zudem nützt sie der Absicherung imperialer Politik und bedeutet für die Kolonialmacht internationalen Prestigegewinn (Anerkennung).

Die Regierung vor Ort ist meist autokratisch-bürokratisch und geleitet durch einen Gouverneur. Die Präsenz der Kolonialmacht ist zahlenmäßig gering, vor Ort sind meist Zivilbürokraten, einige Soldaten und Geschäftsleute. Sie kehren nach Abschluss ihrer Tätigkeiten in die Metropole zurück.

Stützpunktkolonie

Sie ist meist das Ergebnis von Flottenaktionen. Ihr Zweck ist eine indirekte Erschließung des Hinterlandes für kommerzielle Interessen und/oder eine logistische Stütze für die Machtentfaltung auf den Meeren, um informelle Kontrolle über formal selbstständige Staaten zu gewinnen. Sie wird häufig zum Ausgangspunkt für bedeutsame Hafenstädte.

Siedlungskolonie

Sie ist meist das Ergebnis von militärisch unterstützten Kolonisationsprozessen, die vor allem an der Gewinnung billigen Landes interessiert waren. Hinzu kommt die Nutzung von Arbeitskräften vor Ort. Die Präsenz vor Ort wird bestimmt durch permanent ansässige Siedler, Städter und Farmer oder Plantagenbesitzer.

Die Gouverneure sind in dieser Art der Kolonie schwächer gestellt. Stattdessen finden frühe Ansätze einer eigenständigen Regierung durch weiße Kolonisten Anwendung, die jedoch Interessen und Rechte der indigenen Bevölkerung missachten. In einigen Fällen findet Sezession (Trennung bzw. Separation) der weißen Bevölkerung statt.

Literaturverzeichnis

Osterhammel, Jürgen und Jansen, Jan C.: Kolonialismus – Geschichte, Formen, Folgen, München 2021.

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