Atomkraft – eine Lösung für mehr Klimaschutz?

Atomkraft als kostengünstige und immer verfügbare Energie, die unserem steigenden Verbrauch und der Forderung nach mehr Umwelt- und Klimaschutz gerecht wird: so lautet das Versprechen von Befürwortern der Wiedereinführung von Kernkraftwerken. Neue Reaktoren könnten hierfür sogar alten Atommüll benutzen und seien vor Katastrophen und Kernschmelzen sicher. Inwiefern Atomkraft dieses Angebot halten kann und somit eine Lösung für mehr Klima- und Umweltschutz darstellt, soll hier untersucht werden.

Energiekosten im Vergleich

Atomkraft

Zu den genauen Kosten einer Kilowattstunde Strom aus Atomkraftwerken liegen keine aktuellen Daten vor, da man aufgrund des 2022 geplanten Atomausstiegs kein Interesse an weiteren Erhebungen hat. Allerdings belaufen sich die ungefähren Kosten auf 13 Cent pro Kilowattstunde, wie eine Anfrage an das Energie- und Wirtschaftsministerium bestätigte. [1] Würde man fiktiv eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke oder Neubau von Reaktoren annehmen, wäre dieser Preis tendenziell steigend. Bezieht man externe Kosten wie Umwelt- und Klimaschäden in diese Berechnung ein, kommt eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft auf einen Preis von 18,7 bis 47,3 Cent pro Kilowattstunde. [2] Unabhängig von der Diskussion um Klimaschutz und Atomkraft wäre es aus ökonomischer Sicht daher fragwürdig, wie sinnvoll der Neubau von Kernkraftwerken ist.

Erneuerbare Energien

Im Vergleich zur Atomkraft kosten erneuerbare Energieträger wie Wind- und Solarkraft weniger. Onshore-Anlagen liegen bei einem Preis von 3,99 bis 8,23 Cent pro Kilowattstunde. Offshore-Anlagen kosten aufgrund  von widerstandfähigeren Materialien etwas mehr. 7,79 Cent bis 9,95 Cent pro Kilowattstunde kommen hierbei zustande. Nur bei ungünstigen Offshore-Standorten betragen die Kosten unter Umständen bis zu 13,79 Cent pro Kilowattstunde. Solaranlagen liegen im Schnitt sogar noch weiter darunter: je nach Typ der Anlage kostet hier eine Kilowattstunde 3,71 bis 11,54 Cent. Diese Preise sind aufgrund des weiteren Ausbaus von Anlagen und der längeren Lebensdauer weiter fallend. [3]

Stromentstehungskosten
Studie des Fraunhofer Instituts zu den Stromentstehungskosten erneuerbarer Energien.

Das Umweltbundesamt gibt für 2050 die Erzeugungskosten von erneuerbaren Energien mit durchschnittlich 6 bis 7,7 Cent pro Kilowattstunde an, während Strom aus fossilen Energien wohl auf 15 Cent pro Kilowattstunde steigen wird. [4] Zu diesen zählt selbstverständlich auch die Atomkraft.

Aussagefähigkeit dieser Zahlen

Bei den hier genannten Zahlen zu den Kosten der Energieträger gilt es zu berücksichtigen, dass externe Folgekosten, die unter anderem durch gesundheitliche Schädigungen, Müllentsorgung und mögliche Speicheraufwände entstehen, nicht in den jeweiligen Angaben enthalten sind. Grund dafür ist der hoch spekulative Charakter einiger Abschätzungen und unterschiedliche Maßstäbe bei der Tragweite von mit einzubeziehenden Folgekosten. Generell kommen bei allen Arten der Energieerzeugung daher noch gewisse Kosten hinzu, die im Schnitt bei fossilen Arten der Energiegewinnung durch Umweltschäden höher sein werden.

Umwelt- und Klimaschutz bei Atomkraft

Man könnte annehmen, dass bei der Energiegewinnung aus Atomkraftwerken keinerlei CO2-Emission entsteht, da ja keine fossilen Energieträger wie Kohle oder Erdgas verbrannt werden. Atomstrom ist leider keineswegs CO2-neutral.

Atomkraft als Lösung für Klimaschutz
Gesamte Treibhausgas-Emissionen von Stromerzeugungsoptionen (inkl. vorgelagerter Prozesse, Stoffeinsatz zur Anlagenherstellung und fremder Hilfsenergie) laut UBA.

Es stimmt, dass Emission überwiegend vor und nach der Stromproduktion anfallen. Vorwiegend entstehen diese beim Uranabbau, der Brennelementherstellung, dem Kraftwerksbau und der Endlagerung. Weiterhin fallen auch während des Betriebs Emissionen an, die durch den weiteren Uranabbau und den Anreicherungsprozess entstehen. Einen weiteren belastenden Punkt stellt die Endlagerung des Atommülls dar, der unter Umständen zu erheblichen Umweltschäden führen kann und auch noch nicht abschätzbare Emissionen verursacht. [5] Diese sind in der gezeigten Tabelle nicht berücksichtigt, weswegen man eine durchaus höhere Belastung bei den AKW annehmen muss. Atomkraft als Retter beim Klimaschutz wird damit eher unwahrscheinlich.

Sicherheit und neue Reaktoren

Die grundlegenden Risiken bei der Nutzung von Atomkraft sind Allen spätestens seit Tschernobyl und Fukushima bekannt. Durch die hohe Hitze bei der Reaktion droht permanent eine Kernschmelze, sollte die Abführung dieser Wärme versagen. Die Folgen wären die Freisetzung von radioaktiven Stoffen, eine radioaktive Wolke und für Jahrzehnte unbewohnbare Gebiete. Gerade in Europa, welches sehr dicht besiedelt ist, wären stets Millionen von Menschen betroffen.

Thorium-Flüssigsalzreaktor

Eine Hoffnung ist hierbei für viele der sogenannte Thorium-Flüssigsalzreaktor. Der Brennstoff in diesem Reaktor ist dabei flüssig und somit während des Betriebs nachtankbar, sodass Brennstäbe nicht mühselig ausgewechselt werden müssen. Ein weiterer großer Vorteil ist die Möglichkeit, dass dieser theoretisch auch mit dem zu Uran vergleichsweise häufigen Metall Thorium oder mit Atommüll betrieben werden kann. Dies würde einige Probleme der Langzeit-Endlagerung lösen. Aufgrund des technischen Aufbaus soll außerdem eine Kernschmelze unmöglich sein.

Dennoch gibt es einige Probleme an dieser Technik, denn bisher gibt es den Reaktor nur auf dem Papier. Es ist also völlig unklar, ob Flüssigsalzreaktoren wie gewünscht und ohne weiteres funktionieren. Hinzu kommen die aggressiven Stoffe, welche bei dem Reaktor eingesetzt werden, die zusammen mit dem radioaktiven Material diverse Rohrleitungen schädigen können. Dies wurde bereits in Versuchen nachgewiesen. [6] Weiterhin entsteht bei der Reaktion sogenanntes Plutonium, welches für den Bau von Atomwaffen verwendet wird. Dies kann leicht entwendet und für militärische Zwecke eingesetzt werden. Weiteres zu diesem Reaktortyp und seinen Problemen findet ihr hier.

Allgemeines Restrisiko

Hinzu kommt das allgemeine Problem technischen Restrisikos. Es kann immer durch Baumängel, falsche Berechnungen oder mangelnde Kontrollen wie auch diversen anderen Fehlern dazu kommen, dass eine theoretische Vorlage ungenügend umgesetzt wird, um ihre Garantien zu halten. Generell passieren solche Fehler fast immer. Es wird also auch bei nahezu perfekten Umsetzungen und Berechnungen eine Schwachstelle im System geben. Fraglich ist, ob es uns dieses Risiko wert ist, wenn es doch mittlerweile so viele andere Alternativen gibt.

Fazit: Atomkraft und der Klimaschutz

Sieht man sich die eingangs gegebenen Versprechen der Atomkraft an, wird man sehr schnell feststellen, dass diese nicht gehalten werden können. Die Kosten von Atomstrom werden in Zukunft weiter steigen und sind bereits heute nicht die niedrigsten. Von ökonomischer Energieerzeugung kann man an dieser Stelle wohl kaum sprechen.

Auch das Hauptargument der Umweltfreundlichkeit trifft nur sehr bedingt zu. Sieht man allein die entstehenden Emissionen während der Energieerzeugung, die an und für sich allerdings auch nicht gleich null sind, könnte man es als durchaus umweltfreundlich bezeichnen. Spätestens jedoch mit Blick auf die vorher anfallenden Schritte zur Inbetriebnahme eines Kraftwerks und den nachgelagerten Problemen, welche durch die Problematik der Endlagerung entstehen, kann man nicht mehr von einer umweltfreundlichen Technologie sprechen. Man sollte an dieser Stelle auch die mangelnde Nachhaltigkeit erwähnen, da auch bei Kernkraftwerken irgendwann der Brennstoff ausgeht.

Neue Reaktortypen und weitere Entwicklungen könnten einige der hier genannten Probleme lösen, allerdings sind diese überwiegend theoretischer Natur und daher momentan noch keineswegs technisch umsetzbar. Spricht man also von einer Wiederbelebung der Atomkraft, muss man von unseren bisherigen technischen Standards ausgehen, die diverse Sicherheitsrisiken und bereits genannte Probleme mit sich bringen. Alles andere sind reine Gedankenspiele, mit denen wir jetzt nicht arbeiten können. Allerdings erfordert der Klimawandel ein zeitnahes Handeln, sodass ein Warten auf die versprochene Technologie nicht sinnvoll ist.

Bis auf die Verlässlichkeit bei der Stromerzeugung kann die Atomkraft als Maßnahme gegen den Klimawandel allenfalls oberflächlich punkten. Eine genaue Betrachtung zeigt, dass sowohl aus ökologischer als auch ökonomischer Sicht ein Ausbau oder Fortführen von Atomkraft mit den heutigen Möglichkeiten nicht zweckdienlich ist.


Quellenverzeichnis

[1] https://www.quarks.de/technik/energie/welche-art-von-strom-ist-am-guenstigsten/

[2] https://www.greenpeace-energy.de/fileadmin/docs/publikationen/Studien/2017-10-Was_Strom_wirklich_kostet_lang.pdf

[3] https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/DE2018_ISE_Studie_Stromgestehungskosten_Erneuerbare_Energien.pdf

[4] https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/wie-viel-wird-die-energiewende-kosten

[5] https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/ist-atomstrom-wirklich-co2-frei

[6] https://www.n-tv.de/wissen/Rettet-Atomkraft-uns-vor-dem-Klimakollaps-article21234793.html

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