Historische Reden interpretieren

Es gibt viele Ähnlichkeiten zu schriftlichen Quellen, wenn man historische Reden interpretieren möchte. Im Folgenden findest du allgemeine Informationen über historische Reden sowie einen Leitfaden, der dir eine Analyse und Interpretation einer konkreten Rede ermöglicht.

Historische Reden interpretieren

Allgemeines über historische Reden

Historische Reden liegen meist in Form einer schriftlichen Quelle vor. Nur selten wirst du eine Tonaufnahme oder Videoaufzeichnung einer Rede im Unterricht interpretieren. Wichtig ist vor allem der kritische Umgang mit Reden. Redner verfolgen eine gewisse Absicht, während das Publikum wiederum Erwartungen hat. Die Analyse rhetorischer Mittel in historischen Reden kann auch dazu beitragen, Redner der Gegenwart leichter zu durchschauen.

Gattungen: historische Reden

Zwischen den folgenden Gattungen sollte die Grenze nicht zu scharf gezogen werden, da es fließende Übergänge geben kann:

  1. Gerichtsrede
    • Anlass der Rede: Prozess
    • Vorfall liegt in der Vergangenheit
    • Ziel: Schuld oder Unschuld beweisen
    • Kategorien: Anklage, Beweisrede, Verteidigung, Plädoyer, Urteil…
  2. Politische Rede
    • soll Sachverhalt klären, um begründeten Entschluss zu fassen
    • auf Zukunft gerichtet
    • Anlässe: Gesetze, Parteitage, Ansprachen…
  3. Propagandarede
    • auch politische Rede, aber Emotionen überwiegen Vernunft
    • Ziel: Massenpublikum begeistern, das einer Ideologie folgen soll
  4. Fest- oder Gelegenheitsrede
    • soll Person oder Ereignis loben, ehren oder erinnern
    • auf Vergangenheit oder Gegenwart ausgerichtet
    • rhetorische Kunst: unterhalten und bewegen
    • in negativer Form Tadel- und Schmähreden, die mahnen oder kritisieren
  5. Kanzelrede
    • Gegenstand, der nicht diskutiert wird
    • Zweck: religiöse Überzeugungen vermitteln, belehren oder anmahnen
    • Bezugspunkt im Christentum: Bibel
  6. Lehrrede
    • soll Wissen vermitteln und aufklären
    • Zuhörer fesseln und Verständnis wecken

Historische Reden analysieren und interpretieren

1. Redesituation

Zuerst muss die historische Situation geklärt werden. Wer ist der/die Redner/in? Was ist Thema und Absicht des Redners? Ort und Zeitpunkt der Rede sollten ebenfalls geklärt werden. Wie ist die Zusammensetzung des Publikums (Erwartungen, Beziehungen zu Redner, Übereinstimmung/Ablehnung zum Redner, Gruppen mit verschiedenen Einstellungen…)?


2. Inhalt

Nun kann die Rede in unterschiedliche Abschnitte unterteilt werden. Dabei sollte eine Zuordnung der Inhalte zu den festgelegten Abschnitten erfolgen. Wichtig ist es, letztlich auch die Funktion der Abschnitte in der gesamten Rede zu klären.


3. Analyse

Erst jetzt geht es zur eigentlichen Analyse. Wie wird argumentiert? Welche rhetorischen Mittel werden verwendet? Wie wird das Publikum angesprochen – betont der Redner Gemeinsamkeiten oder wahrt er Distanz? Welche Sprache und welchen Ausdruck verwendet er? Lässt sich bei einer Videoaufzeichnung eine bestimmte Körpersprache feststellen?


4. Wirkung

Abschließend geht es um die Wirkung der Rede. Welche Wirkung auf das Publikum ist gewollt? Welche Mittel verwendet er, um die Wirkung zu erreichen? Wie steht es im die Wirkung innerhalb der historischen Situation? Wie würde man die Rede heute bewerten?


Literaturverzeichnis

Rein, Christiane: Historische Reden. Ihre rhetorische Gestaltung und Wirkung analysieren, in: Methodentraining für den Geschichtsunterricht, hrsg. von Hans-Jürgen Pandel, Renate Teepe und Friedrich Huneke, Frankfurt am Main 2021.

Tischner, Christian: Historische Reden im Geschichtsunterricht, Frankfurt am Main 2019.

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