Faschismus – Ideologie der extremen Rechten

Die Assoziationen mit dem Begriff Faschismus sind eindeutig. Die meisten Menschen denken an das NS-Regime im Dritten Reich oder an die Faschisten unter Mussolini in Italien. Doch was genau macht Faschismus aus? Wo liegt die Grenze zu rechten Konservativen? Auch die Frage, ob es gegenwärtigen Faschismus gibt, soll hier beantwortet werden.

Faschismus

Eine Definition von Faschismus

Robert Paxton, amerikanischer Historiker, bekannt für seine Faschismusforschung, definiert den Begriff wie folgt:

F. kann definiert werden als eine Form politischen Verhaltens, das gekennzeichnet ist durch eine obsessive Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft und durch kompensatorische Kulte der Einheit, Stärke und Reinheit, wobei eine massenbasierte Partei von entschlossenen nationalistischen Aktivisten in unbequemer, aber effektiver Zusammenarbeit mit den traditionellen Eliten demokratische Freiheiten aufgibt und mittels einer als erlösend verklärten Gewalt und ohne ethische oder gesetzliche Beschränkungen Ziele der inneren Säuberung und der äußeren Expansion verfolgt.
(Paxton, Anatomie des Faschismus, S. 319.)

Natürlich gibt es alternative Definitionen. Die hier dargestellte scheint aber besonders zutreffend, da sie den Wesenskern der Ideologie herausstellt. Sie nimmt sowohl Aspekte der politischen als auch historischen Ebene auf, ohne sich dabei selbst auf die prominenten faschistischen Regime zu reduzieren. Somit ist der Begriff auch für kleinere Bewegungen anwendbar, die letztlich keine Macht ergriffen haben. Neben deskriptiven Kriterien wird auch der angestrebte Prozess dargestellt.

Wichtig zu betonen bleibt, dass Faschismus nicht auf die jeweiligen Führer reduzierbar ist. Diese Betrachtung würde den Faschismus personalisieren und lässt weitere Akteure außer Acht. Somit könnten Personen, Gruppen und Institutionen, die beteiligt waren, mit einem entsprechenden Verweis von ihrer Verantwortung ablenken.

Merkmale der Ideologie

Die Definition gibt bereits einen Einblick in zentrale Merkmale. Jedoch ergänze ich hier einige weitere, die für die Betrachtung und Identifikation faschistischer Ideologie eine Rolle spielen:

  • Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft
  • Kulte der Einheit, Stärke und Reinheit
    • geknüpft an Rassismus, Antisemitismus und Ableismus
  • massenbasierte Partei oder Bewegung
  • übersteigerter Nationalismus
  • Zusammenarbeit mit traditionellen Eliten (v.a. Konservative, Militär…)
  • Ablehnung demokratischer Freiheiten
  • innere Säuberung
    • im Nationalsozialismus als „Rassenhygiene“ bekannt geworden
  • äußere Expansion

Thomas Schlemmer und Hans Woller heben insbesondere den Rassismus und Antisemitismus als Kernmerkmale des Faschismus hervor. Zuvor wurden diese in der älteren Faschismusforschung unterschätzt. Sie betonen dabei unterschiedliche Formen des Rassismus, welcher kulturell, spirituell-religiös aber auch wissenschaftlich-biologistisch fundiert sein konnte. Abhängig ist die Form deshalb vor allem vom Entwicklungsstand der Gesellschaft. In jedem Fall ist Nationalismus stark mit dem Rassismus einer Gesellschaft verknüpft.

Außerdem merkt Paxton an, dass es keine spezifisch faschistische Kunst gegeben hat, weil die Kunstkultur in unterschiedlichen Staaten verschieden ausgeprägt war. Diese lässt auch Parallelen zu westlichen Demokratien erkennen. Der neoklassizistische Baustil beispielsweise hat sowohl in Deutschland als auch den USA Anwendung gefunden. Die Misogynie rechter Männerbünde ist ebenfalls nicht spezifisch faschistisch. Sie ist vor allem im vorherrschenden Gesellschaftsbild des 20. Jahrhunderts zu verorten. Daher bilden diese beiden keine Merkmale.

Grenze von Faschismus zum rechten Konservatismus

Entscheidend für die Abgrenzung zum Konservatismus bildet vor allem der Übergang zu Rassismus und Antisemitismus. Die – durchaus konservative – Ablehnung von Zuwanderung und moderner Gleichstellungspolitik ist dabei nicht zwangsläufig mit Rassismus gleichzusetzen. Wichtig sind hierbei Gründe für die Ablehnung. Wenn sich die Ablehnung aus der Herabwürdigung auf Grund äußerer oder kultureller Merkmale von Menschen generiert, kann von Rassismus gesprochen werden.

Faschismus vs. Konservatismus

Rassismus und Antisemitismus bilden in Kombination mit einigen, aber nicht zwangsläufig allen, zuvor aufgezählten Merkmalen eine Grundlage zur Kategorisierung von Faschismus. Die Zusammenarbeit mit traditionellen Eliten, heutzutage insbesondere der Wirtschaft, ist auch Praxis des Konservatismus. Ebenso kann es vereinzelt zu übersteigertem Nationalismus kommen. Diese Merkmale sind für die Zuschreibung von Faschismus jedoch allein nicht hinreichend. Ausschlaggebend ist dabei die Ablehnung demokratischer Freiheiten. Diese ist durch den zuvor angebrachten Rassismus jedoch bereits gegeben, da das Gleichstellungsrecht aller Menschen untergraben wird. Dies verhindert das Recht auf freie Entfaltung.

Faschismus in der Gegenwart

Einige Forschende bezweifeln, dass es einen Faschismus wie zwischen den Weltkriegen in Europa erneut geben könne. Paxton weist dies entschieden zurück. In einer frühen Form ist die Ideologie auch in unserer Zeit präsent. Aktuelle Entwicklungen in Europa bestätigen dies. Mit der Wahl von Giorgia Meloni ist nun eine Neofaschistin italienische Regierungschefin. Der Erfolg ihrer Wahl lässt sich nicht zuletzt auch darauf zurückführen, dass viele Medien die faschistische Gesinnung Melonis nicht klar benennen. Dabei behauptet sie von sich selbst wenig Distanz zum Faschismus – nur Führerkult und den römischen Gruß lehne sie entschieden ab.

Rassismus und Antisemitismus wird auch in anderen Staaten vermehrt salonfähig. In Deutschland stellt dies regelmäßig die sogenannte „Alternative für Deutschland“ zur Schau. Offene Herabwertung von anderen Kulturen, Angriffe auf Pressefreiheit und antisemitische Verschwörungsmythen sind dabei kein Tabu. Die Partei nimmt auch regelmäßig eine Opferrolle ein und beschwört den Niedergang deutscher Kultur. Übersteigerter Nationalismus spielt dabei auch mit. Die AfD trägt somit klare faschistoide Züge, auch wenn sie sich zuweilen entschieden gegen entsprechende Einordnungen wehrt.

Literaturverzeichnis

Paxton, Robert: Anatomie des Faschismus, München 2006.

Paxton, Robert: Kultur und Zivilgesellschaft im Faschismus, in: Der Faschismus in Europa – Wege der Forschung, hrsg. von Thomas Schlemmer und Hans Woller, München 2014, S. 35-44.

Schlemmer, Thomas und Woller, Hans: Essenz oder Konsequenz? Zur Bedeutung von Rassismus und Antisemitismus für den Faschismus, in: Der Faschismus in Europa – Wege der Forschung, hrsg. von Thomas Schlemmer und Hans Woller, München 2014, S. 123-144.

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